Vom Leistungsdruck zur Überlastung (Teil 1)
Perfektionismus und Stress bei Lernenden nehmen zu.
In dieser zweiteiligen Blogserie erhalten Sie Einblick in das Thema Perfektionismus und Tipps zum Umgang damit.
Perfektionismus ist ein zweischneidiges Schwert: Er kann uns gleichermaßen antreiben und hemmen. Viele Lernende neigen zum Perfektionismus, sie wollen z. B. in der Schule oder der Uni Höchstleistungen erbringen: eine gute Note in Mathe, das Lob der Klassenlehrerin für die gelungene Präsentation oder das Sternchen im Schulheft. Der Wunsch, es richtig bzw. perfekt zu machen, führt dazu, dass viele Kinder und Jugendliche hart arbeiten, um immer „gut abzuliefern“.
Professor Michael Schulte-Markwort, Direktor der Kinderpsychiatrie der Uniklinik Hamburg, bestätigt, dass Lernende gerade an weiterführenden Schulen hohen Anforderungen ausgesetzt sind. Woher kommt der Leistungsdruck, dem die Schüler sich ausgeliefert fühlen?
Das Ziel, gut zu sein, die Eltern und sich selbst stolz zu machen, steht oft im Vordergrund. Dabei spielen die Werte der Eltern in Sachen Leistungsdruck und die die Anerkennung (nur) für Leistung eine entscheidende Rolle: Legen Eltern schon Wert auf Frühförderung, vieles Üben und kontrollieren sie die Hausaufgaben übermäßig oft, so üben sie viel Druck auf ihr Kind aus. Eine Umfrage des LBS-Kinderbarometers (2015) hat ergeben, dass sich ein Drittel der befragten Kinder regelmäßig von der Schule gestresst fühlt. Befragt wurden 11.000 Kinder im Alter von neun bis 14 Jahren. Die Untersuchung ergab, dass Kinder einem hohen Stresspegel ausgesetzt sind. Die Erwartungen von Schule und Eltern führen – bei steigendem Alter – zu immer mehr Anspannung. Die Befragung ergab Folgendes: „Je höher der Stress, desto unwohler fühlen sich die Kinder.“
Nachstehend erhalten Sie von uns ein paar Anregungen, sodass Sie sich intensiver mit dem Thema Perfektionismus und Schulstress auseinandersetzen können und hierfür sensibilisiert sind.
Auf welche Warnsignale sollten Eltern achten?
Eltern sollten Alarmsignale ihrer Kinder wie Unruhe, Gereiztheit, Kopf- und Bauchschmerzen, Schlafprobleme oder Konzentrationsschwierigkeiten ernst nehmen, so der Landesgeschäftsführer des Deutschen Kinderschutzbundes in Nordrhein-Westfalen, Friedhelm Güthoff. Auch der unbedingte Wunsch gut zu sein, sich nie mit etwas zufrieden zu geben oder Überausdauer sind Signale für erhöhten Perfektionismus. Die unten stehende Abbildung zeigt auf, welche Reaktionen Kinder auf Schulstress zeigen:
Quelle: http://de.statista.com/statistik/daten/studie/1437/umfrage/reaktionen-von-kindern-auf-schulstress/
Als Elternteil wünscht man sich in der Regel, dass das eigene Kind gut in der Schule und fleißig ist. „Das Setzen hoher Standards macht [..] nicht per se krank, es kann sogar sehr positiv sein“ (König, 2009).
Perfektionismus kann einerseits dabei helfen, Höchstleistungen zu erzielen. Er treibt voran und kann motivierend wirken. Andererseits entsteht dabei ein enorm hoher Druck. Und: Perfektionisten leben gefährlich, denn nicht selten endet Perfektionismus im Burnout: „Perfektionismus begünstigt psychische Krankheiten wie Depressionen oder Angststörungen“, bestätigt auch Helmut Peter, Facharzt für psychotherapeutische Medizin in Hamburg (Wollfheim, 2015).
Man unterscheidet verschiedene Ausprägungen von Perfektionisten:
- Der funktionale Perfektionist ist ein leistungsbetonter Mensch. Sein individueller Anspruch ist hoch, er verzeiht sich jedoch auch Fehler und die Ergebnisse müssen nicht immer zwingend perfekt sein. Grundtenor ist: „Ich muss das möglichst gut hinkriegen!“ (vgl. Wolffheim, 2015).
- Beim dysfunktionalen Perfektionisten geht es hingegen um alles oder nichts. Es besteht eine große Angst, zu scheitern und die eigenen, hochgesteckten Erwartungen nicht zu erfüllen. Dieser Typ denkt nach dem Alles-oder-nichts-Prinzip. Schnell stellen sich dann Selbstzweifel oder Unsicherheit ein, wenn es einmal nicht so „rund“ läuft. Dann machen sich Gedanken à la „Wenn das schiefgeht, wird auch alles andere schiefgehen!“ breit (vgl. König, 2009).
- Perfektionismus: kann sich auch an Personen richten (vgl. Spitzer, 2009). Dann möchte man, dass auch das Umfeld perfektionistische Leistungen erbringt.
Wo kommt Perfektionismus her?
„Perfektionisten kommen immer aus einem leistungsorientierten Zuhause, in dem das Kind früh mit hohen Standards konfrontiert wird“, erklärt Dr. Christine Altstötter-Gleich, Professorin der Psychologie an der Universität Koblenz-Landau und bekannteste deutsche Perfektionismus-Forscherin die Zusammenhänge (König, 2009). Loben Eltern ihr Kind z. B. immer nur dann, wenn es besonders hervorragende Leistungen erbringt, so kann dies irgendwann in einem „dysfunktionalen Perfektionismus“ münden.
Erfahren Sie im kommenden Blogeintrag (am 28.10.2015), wie Sie Perfektionismus vorbeugen und was Sie tun können, um bestehenden Perfektionismus zu bändigen.